Demmins Ringerwelt nach IOC-Vorschlag im Schock

Lennard Wollenburg fährt im März zu den Deutschen Meisterschaften.

Die Hansestadt hat in den vergangenen zehn Jahren sieben Athleten an die Sportschule delegiert. Fällt nun ihre olympische Perspektive weg?

Jeder Sportler träumt von Olympia. Auch Sten Brauer. Einmal dabei sein, die Besten der Welt treffen. Das wäre doch was. Ist für den 12-Jährigen der Traum schon zerplatzt, bevor er begonnen hat?

Sten ist Ringer und trainiert seit sechs Jahren im Demminer Ringerverein. Im August will er in den Olympiastützpunkt nach Frankfurt/Oder wechseln. Den Aufnahmetest hat er bestanden. Und nun will das Internationale Olympische Komitee (IOC) die klassische Sportart aus dem Programm für die Sommerspiele 2020 streichen. „Das finde ich total blöd“, sagt Sten. Er würde es lieber sehen, wenn Ringen olympisch bleibt. Den 12-Jährigen packt trotzdem der Ehrgeiz. Er geht im nächsten Schuljahr nach Frankfurt. Das steht für ihn fest. Jetzt erst einmal bereitet er sich auf seine erste Deutsche Meisterschaft vor.

„Klar, wir waren alle geschockt“, sagt sein Trainer Rene Ladewig. Völlig überraschend sei die Ankündigung gekommen, dass keine olympischen Medaillen mehr vergeben werden sollen. In den neun Vereinen Mecklenburg-Vorpommerns sei der Protest groß. „Wir haben Unterschriften gesammelt.“ Ladewig sieht auch die Fördermittel für den Olympiastützpunkt wegbrechen. Aus Demmin trainieren derzeit drei Athleten an der Oder – Steffi Blohm, Peggy Liedtke und Rick Brauer. Sten wäre der vierte. Sie alle haben die sportliche Perspektive Olympia. „Das ist das Nonplusultra eines jeden Sportlers“, erklärt Ladewig. In den vergangenen zehn Jahren wurden sieben Demminer an die Sportschule delegiert. Die Sportart hat in der Hansestadt Tradition. Der Olympia-Vierte von Montreal 1976 und Moskau 1980, Roland Gehrke, ist vom legendären Demminer Peter Weidemann trainiert worden. Weidemann war es auch, der das Frauen- und Mädchenringen in Mecklenburg-Vorpommern populär gemacht hat.

Jetzt bleibt nur, auf die Sportpolitik zu hoffen. Die endgültige Entscheidung steht noch aus. „Im Moment stehen wir alle ein bisschen auf dem Schlauch und müssen abwarten“, meint Ladewig. Verstehen kann er es nicht. Ringen ist griechisch-römisch, die olympische Sportart schlechthin. In der olympischen Hymne heißt es „beim Laufen, Ringen und Weitwurf“, soll die nun geändert werden? „Ich glaube, es geht nur um Geld, wie Werbebanden am besten platziert werden können.“

Den olympischen Geist „Dabei sein ist alles“, den gebe es gar nicht mehr. Vieles sei auch im Ringerverband falsch gemacht worden, zum Beispiel einige Regeländerungen, wie im Stand Brust an Brust den Kampf zu beginnen. „Das macht den Sport nicht schöner“, gibt der Trainer zu. Dass sich bei Olympia etwas ändern soll, das war bekannt – beim Griechisch-Römisch-Stil oder drei Gewichtsklassen bei den Frauen mehr, habe es geheißen. Dass Ringen ganz weg soll, sei völlig überraschend gewesen. „Damit hat keiner gerechnet.“ Istanbul habe sich für die Spiele 2020 beworben. „In der Türkei ist Ringen Volkssport.“

Trainer René Ladewig feuert seine Schützlinge an und motiviert sie.

In Demmin ist wegen der Hiobsbotschaft noch kein Rücklauf zu verzeichnen. Im Gegenteil. Sogar 15 Mädchen trainieren wieder in der Hansestadt. 35 Sportler treten auf die Matten, mit Eltern-Kind-Gruppe sind es über 40. „Wir haben einen guten Zulauf, wir können uns nicht beklagen“, meint René Ladewig. An diesem Wochenende begleitet er Rick Brauer zu den Deutschen Meisterschaften der A-Jugend ins Sauerland. Im März fährt er mit Sten Brauer, Tim Kellermann und Lennard Wollenburg zu den Titelkämpfen der B-Jugend. „Ringen ist eine Herausforderung“, meint Sten. Die Sportart muss eine olympische Zukunft haben.

übernommen vom Nordkurier 23.02.13
Text und Fotos von:
Kirsten Gehrke

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