Olympia 2021, intensive Nachwuchsarbeit und die Ringer-Hochburg M-V

Mit dem Präsidenten des Deutschen Ringerbundes, Manfred Werner, im Gespräch

Bald steigen in Tokyo auch die olympischen Ringerturniere. Vom 1.August 2021 bis 7.August 2021 ermitteln fast 300 Ringerinnen und Ringer aus aller Welt in 18 Entscheidungen im Frauen-Freistil-Ringen, im Herren-Freistil-Ringen und im Herren-Klassik-Ringen die Olympiasiegerinnen und Olympiasieger.

Rückblickend gab es gab es in der deutschen Historie bereits einige olympische Erfolge. Die Bilanz zwischen 1896 und 2016 (inkl. der DDR-Ergebnisse) weist insgesamt 8 x Gold, 24 x Silber, und 18 x Bronze auf.

Deutsche Ringer – (eigentlich mehr als) achtmal olympisch vergoldet…

Ja, achtmal konnten deutsche Ringer die olympische Ringermatte bereits als Olympiasieger verlassen: Carl Schuhmann (1896, Gewichtsklasse ohne Limit), Kurt Leucht (1928, griechisch-römisch, Bantamgewicht), Jakob Brendel (1932, griechisch-römisch, Bantamgewicht), Wilfred Dietrich (1960, Freistil, Schwergewicht), Rudolf Vesper (1968, griechisch-römisch, Weltergewicht), Lothar Metz (1968, griechisch-römisch, Mittelgewicht), Pasquale Passarelli (1984, griechisch-römisch, Bantamgewicht) und Maik Bullmann (1992, griechisch-römisch, Halbschwergewicht)

Dabei ist hinzuzufügen, dass Alexander Leipolds Olympia-Gold (2000 im Weltergewicht, Freistil) wegen erhöhter Nandrolonwerte, deren Ursachen auch natürlichen Ursprungs sein konnten und überhaupt keine Wettbewerbsvorteile erbrachten, aberkannt wurde. Der faire Sportler hatte bis dato unter anderem WM-Gold 1994 und dreimal EM-Gold 1991, 1995 bzw. 1998 erkämpft – dazu zwei Junioren-EM-Titel 1988 bzw. 1989.

Starke Russen, Japaner und Amerikaner im aktuellen olympischen Zyklus

Im aktuellen olympischen Zyklus 2016-2021, unter Berücksichtigung auch der nichtolympischen Gewichtsklassen, gab es für deutsche Ringerinnen und Ringer drei Erfolge bei den WM 2016 in Budapest, 2017 in Paris, 2018 wiederum in Budapest, 2019 in Nur-Sultan und 2020 in Belgrad (Weltcup, „Ersatz-WM“, ohne u.a. die USA, Japan und andere Länder aufgrund der Corona-Pandemie). So triumphierte Frank Stäbler 2017 bzw. 2018 und Aline Rotter-Focken 2020 beim Weltcup. Sportlich bestimmend waren in den vergangenen fünf Jahren Russland (38 Titel), Japan (15 Titel) und die USA (13 Titel).

Bei den Olympischen Jugendspielen 2018 in Buenos Aires waren neben den Athletinnen bzw. Athleten aus Russland, Japan bzw. den USA auch jene aus dem Iran sehr erfolgreich (alle je zwei Goldmedaillen). Auch Georgien, Usbekistan, Aserbaidschan, China, Kuba, Moldawien und Schweden konnten sich in die Siegerinnen- und Siegerlisten in der argentinischen Hauptstadt eintragen. Das deutsche Team erkämpfte vor drei Jahren eine Bronzene dank Anastasia Blayvas (57 Kilogramm).

Wie beurteilt nun der Präsident des Deutschen Ringerbundes, Manfred Werner, die Chancen der deutschen Starterinnen und Starter in Tokyo? Wie ist seine Meinung zum internationalen Kräfteverhältnis im Ringkampfsport? Und: Wo „verortet“ er das Ringerland M-V?

 

Nachgefragt

Manfred Werner zu den baldigen olympischen Ringerturnieren, die Aussichten für die deutsche Mannschaft, die internationale Konkurrenz, Olympia unter Pandemiebedingungen und den Ringerinnen- bzw. Ringer-Hochburg M-V

„Ohne intensiv geförderte Talente hätte das Ringen keine Perspektive…“

Frage: Herr Werner, der Countdown auch zu den olympischen Ringkampf-Entscheidungen 2021 läuft… Wie beurteilen Sie die Chancen der Ringerinnen und Ringer des Deutschen Ringerbundes für Tokyo?

Manfred Werner: Nach den Ergebnissen der letzten Jahre schöpfen wir doch einige Hoffnung, dass es bei den olympischen Ringkampf-Turnieren in Tokyo mit ein bis zwei Medaillen reichen könnte. Die Weltspitze ist auch im Ringen eng beieinander, insbesondere auch in den Gewichtsklassen von Aline Rotter-Focken, Frank Stäbler, Eduard Popp und Denis Kudla. Jede/jeder kann jede/jeden schlagen! – Das gilt auch im Ringen. Wir sind jedenfalls zuversichtlich, dass es ein gutes Gesamtergebnis für unsere Starterinnen bzw. Starter und damit für unseren Verband in Tokyo geben wird.

Frage: Es war lange offen, ob Olympia in Tokyo vielleicht sogar insgesamt abgesagt werden sollte. Olympia unter Pandemiebedingungen wird sicher eine Herausforderung… Welche Erwartungen und Hoffnungen haben Sie im Hinblick auf das olympische Ringerturnier 2021?

Manfred Werner: Zunächst ist es erfreulich und wichtig, dass die Olympischen Spiele überhaupt stattfinden können. Die Sportlerinnen und Sportler haben jahrelang auf dieses Großereignis hingearbeitet, auch unter großen Entbehrungen, so dass es wichtig ist, das sie ihre Kräfte im Kreis der Weltbesten messen können. Gleichwohl wird es so sein, das gilt ebenfalls für das Ringen, dass diese Olympischen Spiele nicht mit anderen vergleichbar sein werden. Es sind Wettkämpfe unter Pandemiebedingungen, was strenge Auflagen und Einschränkungen mit sich bringen wird. Das Hygiene- und Testkonzept wird sehr intensiv sein, ob zumindest einheimische Zuschauer in begrenzter Anzahl zugelassen werden, wird noch geprüft. Auf jeden Fall kann man davon ausgehen, dass die japanischen Gastgeberinnen und Gastgeber ihr Bestes geben werden, um würdige Olympische Spiele auszutragen.

Frage: Russland, die USA, Japan, die Türkei, Georgien oder der Iran bestimmen seit Jahren das Leistungsniveau im Ringkampfsport. Rechnen Sie in Tokyo mit Überraschungen?

Manfred Werner: Auch die Ringerinnen und Ringer aus Weissrussland und der Ukraine sind nicht zu vergessen und nicht zuletzt die dänischen bzw. schwedischen Sportlerinnen und Sportler, jene insbesondere im griechisch-römischen Stil. Diese bestimmen seit Jahren die absolute Weltklasse mit. Mit Überraschungen ist durchaus zu rechnen, gibt es doch in vielen Ländern mit weniger großen Ringkampftraditionen starke Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer mit Erfolgsambitionen. Gerade Olympische Spiele bringen immer wieder Überraschungen mit sich.

Frage: Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Ringens in Deutschland? Wie ist es um den Nachwuchs bestellt?

Manfred Werner: Die Entwicklung des Ringens ist maßgeblich mit einer guten Nachwuchsarbeit verbunden. Ohne intensive, niveauvolle Förderung der jungen Talente hätte auch das Ringen in Deutschland keine Perspektiven. Es ist daher gut, dass wir vor einigen Jahren die Bundesliga-Vereine aufforderten, mehr auf den eigenen Nachwuchs zu setzen, als Athleten aus anderen Ländern zu verpflichten. Diese Quotierung im Hinblick auf die Talente im Land war enorm wichtig, denn die jungen Ringerinnen und Ringer hierzulande brauchen sportliche Bewährungsproben in den nationalen Ligen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Das ist uns in den vergangenen Jahren sehr gut gelungen, denn unsere jungen Ringerinnen und Ringer schafften bei internationalen Nachwuchsmeisterschaften immer wieder Medaillen. Ich hoffe sehr, dass die vergangenen rund 16 Pandemie-Monate, die zu extremen Einschränkungen des Trainingsbetriebs führten, nicht zu große negative Folgen hatte. Ich rechne damit, dass wir diesbezüglich beim Nachwuchs nachjustieren müssen, um die gravierenden Auswirkungen der Pandemie wieder wettzumachen.

Letzte Frage: Auch M-V brachte immer wieder erfolgreiche Ringer hervor, fördert den Ringer-Nachwuchs intensiv und ist oftmals Austräger traditionsreicher Turniere. Ein paar Worte Ihrerseits zum Ringer-Standort M-V…

Manfred Werner: Es ist herausragend und vorbildlich, was Mecklenburg-Vorpommern in puncto Förderung und Engagement für den Ringkampfsport leistet. Hinsichtlich der Einwohnerzahl ist es ein kleines Bundesland und dennoch finden viele dort den Weg zum Ringkampfsport. Die traditionsreichen Turniere in M-V haben deutschlandweit einen sehr guten Ruf. Die mecklenburgischen Athletinnen und Athleten scheuen keine kilometerweiten Wege und Anstrengungen, um bei nationalen wie internationalen Turnieren dabei zu sein. Demnächst, Ende August, werden die Deutschen Jugend A-Meisterschaften im griechisch-römischen Stil in Warnemünde ausgetragen, dann folgen die nationalen Titelkämpfe der Jugend B (auch im griechisch-römischen Stil) Anfang Oktober in Torgelow – beides echte Höhepunkte für das deutsche Nachwuchsringen! Der Ringerverband M-V ist ein toller Aktivposten innerhalb des Deutschen Ringerbundes!

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles erdenklich Gute – gerade im Hinblick auf die olympischen Ringerturniere 2021!

 

… Die Starterinnen und Starter des Deutschen Ringerbundes bei Olympia 2021

 

Frauen / Freistil

Aline Rotter-Focken (76 Kilogramm)

Anna Schell (68 Kilo)

 

Herren / Freistil

Gennadij Cudinovic (125 Kilogramm)

 

Herren / griechisch-römischer Stil

Etienne Kinsinger (60 Kilogramm)

Frank Stäbler (67 Kilogramm)

Denis Kudla (87 Kilogramm)

Eduard Popp (130 Kilogramm)

 

M.Michels

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert